Hoss & Hopf rechtlich analysiert
Circa 2 Millionen monatliche Hörer (nach eigener Angabe), 232.000 Abonnenten auf YouTube (https://www.youtube.com/@hoss_und_hopf, abgerufen 29.02.2024) – der Podcast „Hoss & Hopf“ ist beliebt. Die Köpfe hinter dem Format sind Philip Hopf und Kiarash Hossainpour. Hopf ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das Finanzmärkte analysiert. Hossainpour betreibt einen YouTube-Kanal zum Thema Krypto. Aktuell steht der gemeinsame Podcast in der Kritik. Aus sexualstrafrechtlicher Brille sticht eine Folge hervor: Höchste Zeit für eine juristische Analyse.
Der folgende Text beschäftigt sich mit der Folge „Abscheuliche Vergehen in Deutschland!“ (Folge #126; Spotify, abgerufen 27.02.2024). Für die Untersuchung habe ich diejenigen Aspekte herausgegriffen, die meiner Ansicht nach am dringendsten einer Auseinandersetzung bedürfen.
Hopf und Hossainpour sprechen unter anderem über Vergewaltigung, insbesondere Gruppenvergewaltigung, Kindesmissbrauch sowie den Umgang mit diesen Straftaten in Deutschland.
Der „Hamburger Stadtparkprozess“
Zu Beginn geht es um ein Strafverfahren in Hamburg: Im November 2023 wurden neun Angeklagte der Vergewaltigung an einem 15-jährigen Mädchen schuldig gesprochen. Ein Angeklagter erhielt eine Haftstrafe ohne Bewährung. Die übrigen acht Angeklagten wurden zu Jugendstrafen von ein bis zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ein zehnter Angeklagter wurde freigesprochen.
Der zuständigen Richterin wirft Philip Hopf mangelnde Empathie für die Opfer vor. Sie sei „augenscheinlich ideologisch“ geleitet. Insgesamt säßen nach ihm in der Rechtsprechung Menschen, die nicht nach der Härte des Gesetzes urteilten, sondern „die Milde des Gesetzes wählen“. Zentraler Kritikpunkt sei in den Augen von Hoss & Hopf die zu geringe Bestrafung von Sexualstraftätern.
Unerwähnt bleiben in der Episode die Urteilsgründe des Hamburger Falls. So gehen beide Männer nicht darauf ein, dass auf alle Angeklagten Jugendstrafrecht angewendet wurde. Denn die Angeklagten waren zum Tatzeitpunkt Jugendliche bzw. Heranwachsende. Das ist der Hauptgrund, warum die Strafen von außen betrachtet verhältnismäßig gering ausfielen. Ist ein Täter zur Tatzeit 14, aber noch nicht 18 Jahre, kommt zwingend Jugendstrafrecht zur Anwendung. Bei einem zum Tatzeitpunkt Heranwachsenden (18, aber noch nicht 21 Jahre alt) wird Jugendstrafrecht unter den Voraussetzungen des §105 JGG angewendet: Der Täter stand nach seiner Reife zur Tatzeit einem Jugendlichen gleich oder es handelte sich bei der Tat um eine Jugendverfehlung.
Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund: Es soll erzieherisch auf den Täter eingewirkt werden. Die Grundsätze des Erwachsenenstrafrechts dürfen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zu fragen ist: Inwieweit ist die verhängte Strafe erforderlich, um auf das Erziehungsdefizit einzuwirken? Im Jugendstrafrecht gibt es drei Arten von Sanktionen: Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Letztere ist die schärfste Sanktion.
Hopf prangert die Richterin des Hamburger Falls aufgrund weiterer Urteile an. Auch hier erwähnt er die Urteilsgründe nicht. Sachliche Argumente bleibt er schuldig.
Strafzumessung nach Staatsbürgerschaft?
Hossainpour, der nach eigenen Angaben in Dubai wohnt, sagt: „Wenn in Dubai ein Emirati eine Straftat begeht, dann wird er viel härter bestraft als ein Ausländer.“ Dies begründet er damit, dass ein Einwohner das Land repräsentiere. „Ich finde, das gleiche Prinzip sollte in Deutschland angewendet oder in jeder Kultur angewendet werden. Die eigenen Leute sollten Strafen kriegen, die stark sind, die nicht weniger mild sind.“
Eine Idee, die im deutschen Recht nicht umsetzbar ist: Es ist unzulässig, die Höhe der Strafe von der Staatsangehörigkeit abhängig zu machen. Doch nach was bemisst sich eigentlich eine Strafe?
Jeder Angeklagte in Deutschland hat in einem Strafverfahren die gleichen Rechte. Steht nach Durchführung der Hauptverhandlung für das Gericht die Schuld des Angeklagten aufgrund der Beweisaufnahme fest, verurteilt es den Angeklagten. Für die Verhängung der Strafe gilt: Ausgangspunkt ist das jeweilige Strafgesetz, gegen das der Angeklagte verstoßen hat. Das Strafgesetz gibt den Strafrahmen vor. Zum Beispiel sexueller Übergriff (§177 Abs. 1 StGB): Vorgesehen ist ein Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Im nächsten Schritt wird geprüft, ob ein minderschwerer Fall oder ein besonders schwerer Fall vorliegt. Dann würde sich der Strafrahmen nach unten oder nach oben verschieben.
Stellt der sexuelle Übergriff eine Vergewaltigung dar, erhöht sich der Strafrahmen. Bei der Vergewaltigung handelt es sich um einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs. Der besonders schwere Fall stellt im Strafrecht ein sogenanntes Regelbeispiel dar. Es muss geprüft werden, ob die Tat dem Regelbeispiel entspricht oder nicht: Ist die Tat eine Vergewaltigung nach §177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB, hat sich der Strafrahmen nach oben verschoben und beträgt zwei Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe. Anzumerken sei, dass Tathandlungen, die mit Eindringen in den Körper verbunden sind, dennoch nicht in jedem Fall dieses Regelbeispiel erfüllen. Stets sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
Eine Strafrahmenverschiebung kann weiterhin durch sogenannte vertypte Milderungsgründe erfolgen, etwa wenn Beihilfe, Versuch oder verminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Ein Milderungsgrund senkt den Strafrahmen ab.
Im letzten Schritt findet die Strafzumessung im engeren Sinne statt. Nach §46 Abs. 2 StGB wägt das Gericht alle Umstände ab, die zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechen. Vorteilhaft sind beispielsweise Geständnis, Reue, Schadenswiedergutmachung, keine Vorstrafe oder geringe Tatfolgen. Zum Nachteil des Angeklagten sprechen etwa schwere Folgen der Tat, kriminelle Energie, menschenverachtende Gesinnung, hohe Rückfallgeschwindigkeit oder (einschlägige) Vorstrafen.
Ein Gericht darf einen Angeklagten nicht per se deshalb härter oder milder bestrafen, weil er Staatsangehöriger oder Ausländer ist. Auch ausländerrechtliche nachteilige Folgen (Ausweisung etc.) sind bei der Strafzumessung grundsätzlich nicht mildernd zu berücksichtigen. Strafmildernd kann ausnahmsweise nur zugrunde gelegt werden, wenn aufgrund besonderer Umstände die Beendigung des Aufenthalts im Inland eine besondere Härte darstellt (BGH, Beschl. v. 23.8.2018 – 3 StR 149/18).
Sexualstraftäter und Resozialisierung
Bestrafung ist ein hochkomplexes Thema. Eine Diskussion dazu kann nur fruchtbar sein, wenn sie auf einem Faktenfundament beruht. Ausgangspunkt unseres Strafrechts ist die Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz) sowie das Rechtsstaatsprinzip. Deshalb wäre die Einführung der Todesstrafe nicht möglich.
Hopf hingegen möchte Sexualstraftäter am liebsten zu „Düngemittel“ verarbeiten und damit die Felder bestellen. Er sagt auch: „Wenn ein Mensch einem anderen Menschen die Ehre genommen hat, den Stolz, die Seele geraubt hat, ihn geschändet hat, dann hat er sein Leben verwirkt.“
Um zu verstehen, warum bestimmtes Verhalten per Gesetz überhaupt mit Strafe bedroht ist, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit den Strafzwecktheorien. Ausgangspunkt für die Strafe ist die Schuld des Täters (§46 Abs. 1 StGB). Gesetzlich niedergeschrieben sind Strafzwecke in Deutschland nicht. Der Strafzweck fragt danach: Warum bestrafen wir einen Täter? Restlos geklärt ist die Frage nicht. Verschiedene Aspekte spielen eine Rolle. Nach dem Bundesverfassungsgericht knüpft die Strafe an ein sozialethisches Unwerturteil an (BVerfGE 96, 245, 249). Vergeltung für die Tat bildet nicht die alleinige Grundlage. Strafe ist kein Selbstzweck. Es geht um eine angemessene Balance zwischen den Strafzwecken Resozialisierung, Schuldausgleich und Prävention (BVerfG, Urteil vom 21.6.1977).
Resozialisierung als positive Spezialprävention soll dem Täter helfen, Defizite in seiner Lebensführung auszugleichen, die mit seiner Straftat in Zusammenhang stehen. Ziel ist die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Negative Spezialprävention sucht individuell eine Tatwiederholung zu verhindern.
Hossainpour zeigt sich überzeugt, dass harte rechtliche Konsequenzen zu „deutlich weniger Fehlverhalten“ führen. Hier spricht er den Aspekt der negativen Generalprävention an. Diese geht davon aus, dass Strafen durch ihren abschreckenden Charakter verhindern sollen, dass andere Personen die gleichen Taten begehen.
Aus wissenschaftlicher Sicht zeichnet sich ein anders Bild: Es ist davon auszugehen, dass die abschreckende Wirkung von Strafe nicht annähernd so groß ist wie öffentlich angenommen (Bundesministerum des Innern, Bundesministerium der Justiz (Hrgs.)(2006). Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht. Berlin: BMI und BMJ, S. 665 f.; Helmut Hirtenlehner, Differenzielle Abschreckbarkeit als Evidenzgrundlage negativer Generalprävention – Eine Bestandsaufnahme der kriminologischen Wissensbasis Evidence on differential deterrability: a narrative review, De Gruyter; MschrKrim 2020; 103(3): 221–233).
Hossainpour vergleicht Vergewaltiger mit einem Virus im Körper. Bei solchen Sexualstraftätern sehe er Wiederholungsgefahr: „Der hat jetzt aber Reue gezeigt, den lasse ich jetzt frei, dann gehst du ja rein logisch das Risiko ein, dass diese Person das nochmal macht.“
Niemand wird „freigelassen“, nur weil er sich reuig zeigt. Strafzumessung stellt ein mehrstufiges Vorgehen dar. Doch wie oft begehen verurteilte Sexualstraftäter erneut Sexualstraftaten? Die Rückfälligkeit ist deutlich niedriger, als es in der Öffentlichkeit den Anschein hat. Professor Martin Rettenberger, der als Psychologe im Bereich Kriminologie forscht, geht für einen Fünfjahreszeitraum nach Tatbegehung von einer Rückfallrate von fünf bis zehn Prozent aus (https://www.video.hspv.nrw.de/video/Rueckfall-bei-Sexualstraftaten-ein-kriminologisches-Interview/e77397093e2bf3d153686345eacf7a6d). Andere Untersuchungen kommen zu ähnlichem Ergebnis (https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Forensische-Psychiatrie/Eher_Domany_Gaunersdorfer_AlterSexualtaeter_FPP_2023.pdf; https://krimpub.krimz.de/frontdoor/deliver/index/docId/298/file/Eher_Rettenberger_Matthes_MschrKrim_2009.pdf).
Zudem gibt es in den Bundesländern spezielle Programme für bestimmte Täter, um Tatwiederholungen zu vermeiden.
Sind alle Täter von Kindesmissbrauch pädophil?
Laut Hopf werde jeder Mensch mit sexuellen Präferenzen geboren. Hinsichtlich Tätern von sexuellem Kindesmissbrauch meint er: „Die Realität ist, dass solche Leute eine Neigung haben, die können sie nicht loswerden. Die sind einfach so.“
Zur Einordnung der Aussage ist wichtig zu wissen: Es ist ein verbreiteter Fehlirrtum, dass alle Täter von sexuellem Kindesmissbrauch pädophil sind. Es ist davon auszugehen, dass 40 Prozent der Sexualstraftaten zulasten minderjähriger Personen auf einem pädophilen Motiv beruhen (https://www.charite.de/fileadmin/user_upload/portal/charite/organisation/veranstaltungen/2014/September/Hintergrundinformationen_und_Projektbeschreibung_Kein_T%C3%A4ter_werden.pdf; abgerufen 28.02.2024).
Lebenslange Freiheitsstrafe
Hopf verweist auf ein Urteil aus dem Ausland und beklagt, dass es derartig lange Strafen in Deutschland nicht gäbe. Er meint: „Lebenslänglich ist ja nur der Begriff lebenslänglich, es ist ja nicht wirklich so, wir nennen es nur lebenslänglich.“
Den Ausdruck „lebenslänglich“ verwendet das deutsche Gesetz nicht. Korrekt ist „lebenslang“. Schreibt das Gesetz keine lebenslange Freiheitsstrafe vor, so ist die Freiheitsstrafe zeitlich begrenzt (§38 Abs. 1 StGB). Eine lebenslange Freiheitsstrafe sieht das Gesetz unter anderem für Mord (§211 Abs. 1 StGB) und den besonders schweren Fall des Totschlags (§212 Abs. 2 StGB) vor. Unter den Voraussetzungen des §57a Abs. 1 StGB wird die lebenslange Freiheitsstrafe nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Voraussetzung ist aber, dass die besondere Schwere der Schuld nicht entgegensteht, der Verurteilte einwilligt und dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Es ist also theoretisch möglich, dass die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe tatsächlich für den Rest des Lebens andauert.
Zudem gibt es im deutschen Strafrecht das Instrument der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§66 StGB). Dabei handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Die Sicherungsverwahrung, von Hopf als „Sicherheitsverwahrung“ bezeichnet, setzt nicht eine vorherige Strafe von 15 Jahren voraus, wie Hopf meint. Angeordnet werden kann Sicherungsverwahrung neben der Strafe dann, wenn der bereits vorbestrafte Täter neben den anderen Voraussetzungen mindestens zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Bei Ersttätern setzt die Maßregel unter anderem die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren voraus.
Strafrichter und Bundesregierung
„Unsere Regierung“ sei laut Hopf ein großes Problem. Im Kontext zur Begehung von Vergewaltigungen sagt er: „Denn es ist diese Regierung, welche diese Richter einsetzt.“
Dazu ist grundsätzlich festzustellen: Die Bundesregierung hat mit der Besetzung der Strafrichterstellen an den Amts- und Landgerichten – diese Richter fällen die erstinstanzlichen Urteile in Sexualstrafverfahren – nichts zu tun. Gerichte erster und zweiter Instanz sind grundsätzlich Ländersache. Die Gerichtsorganisation und damit die Besetzung dieser Gerichte ist also Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes.
Fazit
Die Analyse zeigt: Eine sachliche Diskussion ist Hoss & Hopf meiner Ansicht nach nicht gelungen. Komplexe Themen brauchen Fakten, um sich ihnen anzunähern. Dazu gehört auch, die zur Einordnung nötigen Dinge zu benennen. Gerade im Sexualstrafrecht bestimmen Emotionen oft den öffentlichen Diskurs. Eine Auseinandersetzung ohne Tatsachengrundlage ist nicht zielführend.
Anmerkung: Die Analyse beschäftigt sich nur mit ausgewählten Äußerungen in Bezug auf das deutsche Strafrecht. Migrationsrechtliche Aspekte blieben außer Betracht. Aussagen über Dubai sind nicht Gegenstand dieses Artikels. Thematisch passend sei auf folgende Medienberichte hingewiesen (https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-dubai-vergewaltigung-oesterreicherin-100.html; https://www.sueddeutsche.de/panorama/vereinigte-arabische-emirate-britin-in-dubai-nach-vergewaltigung-wegen-ausserehelichem-sex-verhaftet-1.3254751; https://www.spiegel.de/panorama/justiz/begnadigung-in-dubai-norwegerin-marte-deborah-dalelv-im-interview-a-913183.html).